Wie plant man zeitgemässen Strassenraum, der den heutigen und künftigen Anforderungen gerecht wird? Auf der Suche nach Antworten lud Metron Fachleute aus der Planung, von Gemeinden und Städten zur Tagung «Zeitgemässer Strassenraum» ein. Hier wurde klar: Zeitgemäss wird ein Strassenraum dann, wenn es eine Vision gibt. Und wenn die raumspezifischen Ziele in den Vordergrund rücken, nicht die gleichberechtigte Umsetzung aller Partikularinteressen.
Rund 180 Teilnehmende haben sich am 31. Oktober im Kultur- und Kongresshaus in Aarau eingefunden, um in Referaten, Spaziergängen und Gesprächen die Schweizer Strassenräume unter die Lupe zu nehmen. Eingeladen hatte die Metron AG.
Strasse ist öffentlicher Raum
Die Ansprüche an den Strassenraum werden immer vielfältiger, die Prozesse immer komplexer, kurz: die Voraussetzungen für ein Ergebnis, das allen dient, immer schwieriger. Der Strassenraum ist nicht nur Verkehrsraum, sondern – integral gesehen – ein Raum für Mensch, Gesellschaft und Wirtschaft. «Wir sollten Strassen als öffentliche Räume denken und planen», sagte Monika Litscher, Vizedirektorin des Schweizerischen Städteverbands, an der Tagung. Der Konsens unter den Fachplanenden geht heute eben dahin: Strasse soll (auch) Begegnungen von Menschen ermöglichen, und weitere Ansprüche erfüllen, etwa zu Hitzeminderung und Biodiversität beitragen. Viele Ansprüche – der Raum aber bleibt knapp.
Eine Vision, nicht bloss Normen umsetzen
Dass es möglich ist, dennoch «Strassenraum für alle» zu entwerfen, zeigten die Referierenden mit Beispielen aus der ganzen Schweiz. Wichtig ist eine klare Vision, eine Haltung, wie Rupert Wimmer, Leiter Verkehr und Stadtraum vom Tiefbauamt der Stadt Zürich, sagte. «Wir müssen uns an Zielen orientieren, und Dogmen und Normen auch mal hinterfragen». Ein solches Dogma sei etwa, dass der Verkehr schnell rollen muss. Und: «Strassenraum muss funktionieren, aber auch schön sein», so Wimmer plakativ. Gestaltung ist ebenso wichtig wie Funktion.
Das Richtige am richtigen Ort: Prioritäten setzen
Immer häufiger gilt es, Prioritäten zu setzen. Nicht jeder Strassenraum muss alle Ansprüche erfüllen, es müssen Hauptziele gesetzt werden – und zwar in einem gemeinsamen, partizipativen Prozess. Lukas Fischer, Geschäftsleiter der Metron Verkehrsplanung AG, plädierte dafür, weg von einer anspruchsgruppenorientierten, hin zu einer zielorientierten Planung zu kommen: «Wir müssen uns fragen, ob wir wirklich immer alle Ansprüche berücksichtigen können und müssen. Oder ob es nicht an der Zeit ist, offen darüber zu sprechen, was in welchem Umfeld am besten passt und deshalb am meisten Raum bekommen sollte. Und ob nicht umgekehrt, wenn sinnvoll, auf einen Anspruch verzichtet werden darf.» Diese Hauptziele – die Prioritäten – müssen ausgehandelt werden, in partizipativen Prozessen mit der Bevölkerung, ausgehend von einer Vision.
Von Fassade zu Fassade denken – und darüber hinaus
Ein weiterer Erfolgsfaktor für zeitgemässen Strassenraum ist die Betrachtung der Strasse von Fassade zu Fassade – und sogar darüber hinaus. Der Architekt und Städtebauer Erich Niklaus zeigte, wie man die angrenzende Bebauung in die Planung einbeziehen kann. Denn was sich neben der Strasse abspielt, wirkt unmittelbar auf den ganzen Strassenraum. Projektentwicklerin Maresa Kuhn betonte die Rolle der Erdgeschosse: «Ein attraktiver Mix im Erdgeschoss trägt zur Identität des Orts bei, schafft einen starken öffentlichen Auftritt und bereichert den Standort und das Umfeld.»
Ohne Interdisziplinarität geht es nicht mehr
Wie sich Innen- und Aussenraum gegenseitig beeinflussen, erlebten die Tagungsteilnehmenden auf expertengeführten Spaziergängen. An der bahnhofsnahen Hauptverkehrsstrasse, in der Aarauer Innenstadt und an einem Verkehrsknoten wurden die Wechselwirkungen zwischen Raumentwicklung, Verkehrsplanung und Städtebau sichtbar. Zeitgemässe Planung erfordert deshalb auch Interdisziplinarität: Sie ist Voraussetzung für die Planung von Strassenräumen, die nicht nur für die Verkehrsteilnehmenden funktionieren, sondern für andere Anspruchsgruppen auch – zum Beispiel für Anwohnende, Arbeitende, Einkaufende – oder Stadtbäume.
Referate und Bilder
Für die Teilnehmenden der Tagung stehen die Referate und Bilder unter diesem Link zum Download bereit. Nötig ist ein Passwort, das an der Tagung bekannt gegeben wurde.